Aufklärungsprojekt „WiR* – Wissen ist Respekt“ feiert 5-Jähriges
„‘Schwul‘ ist das meistgenutzte Schimpfwort auf deutschen Schulhöfen und die Attacken gegen queere Menschen werden häufiger“, beginnt der Erste Bürgermeister von Köln, Andreas Wolter, seine Glückwünsche anlässlich des Geburtstages des Projektes WiR* – Wissen ist Respekt. Seine Worte machen deutlich: Auch 2021 braucht es Aufklärungsarbeit zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, um dieser Situation entgegenzuwirken. Seit 5 Jahren leisten die Ehrenamtlichen vom WiR*-Team ihren Beitrag dazu. Ihr Anliegen ist es, die Gesellschaft offener für lesbische, schwule, bi, trans*, inter* und queere Menschen zu machen. Mehrmals pro Woche laden sie Schulklassen und Jugendgruppen ins LSBTIQ*-Jugendhaus anyway ein, um in mehrstündigen Workshops Fragen zu beantworten, Klischees und Vorurteile abzubauen und Wissen zu vermitteln. Mehr als 80 Workshops kommen so pro Jahr zusammen.
Dass dies eine wichtige Arbeit ist, finden auch die neuen Promi-Botschafter:innen von WiR*: Moderator und Journalist Benni Bauerdick, Rechtsanwältin und erste „Princess Charming“ Irina Schlauch sowie die frisch gebackene Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik (Grüne). Sie wollen zu mehr Sichtbarkeit für die Aufklärungsarbeit von WiR* beitragen. Bei der Geburtstagsfeier machten sie deutlich, warum ihnen das eine Herzenssache ist: „Auch heute noch haben viele queere Menschen Angst, offen zu sich selbst zu stehen und fürchten ein Outing. Denn täglich gibt es verbale oder physische Attacken gegen queere Menschen. Das darf nicht sein! Unsere beste Waffe im Kampf gegen Hass und Diskriminierung ist Aufklärung.“, sagt Nyke Slawik.
Dies bestätigt auch Dominik Weiss, Projektleiter von WiR*. Immer wieder ist er im Kontakt mit Lehrkräften, die von akuten Fällen in der Schule berichten, z.B. wenn Jugendliche nicht den Erwartungen der Mitschüler:innen entsprechen, weil sie schwul, lesbisch, bi, trans*, inter* oder queer sind. „Heteronormative Wertvorstellungen führen zu Diskriminierung und physischer sowie psychischer Gewalt: Beleidigung, Mobbing und deren Folgen sind das Ergebnis, besonders auf dem Schulhof.“ Hier kann Aufklärungsarbeit helfen, um akute Situationen in Schulklassen zu entspannen. Aber sie wirkt auch langfristig in die Gesellschaft hinein und kann somit die Lebenssituation von lsbtiq* Jugendlichen kommender Generationen nachhaltig verbessern. Dafür aber müssen noch viel mehr Schüler:innen erreicht werden.
Seit 2018 wird die Aufklärungsarbeit finanziell von der Stadt Köln gefördert. Aber dennoch gibt es viele Schulen, die noch nicht von den kostenlosen Workshops von WiR* profitieren können. „Köln hat rund 300 Schulen, wovon nur ungefähr die Hälfte durch die zwei Projekte WiR* & SCHLAU Köln erreicht wird. Da ist noch viel Luft nach oben“, sagt Andreas Wolter, erster Bürgermeister von Köln. Er deutet damit an, welche Entwicklungen es für die Aufklärungsarbeit in Köln geben kann und muss.
Weitere drängende Themen zukünftiger queerer Antidiskriminierungsarbeit wurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion zwischen verschiedenen Akteur:innen queerer Bildungsarbeit in Köln diskutiert. Claudia, Ehrenamtliche im WiR*-Team, betont: „Das Ehrenamt bei WiR* macht großen Spaß, gerade wegen des tollen Teams. Allerdings werden die Anforderungen an uns immer komplexer ist.“ Neben den Begriffen schwule, lesbisch, bi und trans* sind in den letzten Jahren Themen wie Gender hinzugekommen, die alle Schüler:innen betreffen oder auch neue Begriffe wie „nicht-binär“ oder „pansexuell“. Auch spielt Intersektionalität, also Mehrfachdiskriminierung, eine immer größere Rolle.
Jürgen Piger, Geschäftsführer vom anyway, sieht wachsende Herausforderungen für die jungen Ehrenamtlichen: „Das gesellschaftliche Klima wird rauer und wir merken eine Art von Rollback als Antwort auf die gesellschaftliche Liberalisierung. Die Ehrenamtlichen leisten unglaublich tolle Arbeit. Langfristig wird es aber notwendig sein, die hauptamtliche Begleitung solcher Projekte auszubauen, um den Bedarfen von Schule und Jugendarbeit in diesem Bereich Rechnung tragen zu können.“
Auf dem Podium diskutierten (v.l.n.r.): Jessica Mörtl (Amt für Kinder, Jugend und Familie), Moustafa Tarraf (SCHLAU Köln), Anton (Schüler), Attila Cakar (Schulsozialarbeiter Kaiserin-Theophanu-Schule) und Claudia (Ehrenamtlerin WiR*). Die Fragen stellte Moderator:in Phi Burghardt.