Beratungsbedarf bei LSBTIQ*-Jugendlichen steigt aufgrund von Corona massiv
Das dritte Jahr der Corona-Pandemie lässt das Realität werden, wovor Expert:innen lange gewarnt haben: einen massiven Anstieg des psychischen Leidens insbesondere bei vulnerablen Gruppen. Die Jugendberatungsstelle des anyway für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere Jugendliche sowie junge Erwachsene in Köln erlebt genau das. Die Beratungsanfragen sind im vergangenen Jahr um fast ein Viertel gestiegen.
„Neben den klassischen Themen wie geschlechtliche Identitätsfindung und Coming-out haben wir vermehrt auch Anfragen zu Einsamkeit, dem Gefühl des Abgehängtseins sowie Angst, Stress und Depressionen“, sagt Jugendberaterin Rabea Maas. Sie stellt außerdem fest, dass die Fälle in der Intensität zugenommen haben. Der Kontakt zu den Hilfesuchenden wird länger.
Hinzu kommt für die betroffenen Jugendlichen mit intensiven psychischen Belastungen, dass die Suche nach Therapeut:innen aktuell schwierig ist. Die Wartezeiten, die ohnehin lang sind, haben sich durch Corona erneut gesteigert. Für LSBTIQ*-Jugendliche kommt als Herausforderung hinzu, dass sie Therapeut:innen benötigen, die über Queerkompetenz verfügen. Die Folge ist, dass Jugendliche häufiger und länger zur Überbrückung in die Jugendberatung des anyway kommen.
Der gestiegene Beratungsbedarf deckt sich auch mit der Besucher:innenbefragung des anyway, die im November 2021 durchgeführt wurde. In dieser gaben 42,93% der Besucher:innen an, dass sie unter Depressionen und psychischen Erkrankungen leiden. Bereits im Frühjahr 2021 teilten fast 25% der Jugendlichen in einer Onlinebefragung mit, dass sie aufgrund von Corona suizidalen Gedanken haben.
Um der Situation gerecht zu werden, führt das anyway nun auch Gruppenberatungen ein. Eine LSBTIQ*-Gruppe für Mental Health startet am 21. Februar 2022. Die Gruppe findet montagabends von 18 bis 20:30 Uhr im anyway am Friesenplatz statt. Sie ist offen für alle jungen LSBTIQ* bis 27 Jahre. Es gilt 3G. Anmeldung unter beratung@anyway-koeln.de.
LSBTIQ*-Strukturen unter Druck
Die hohe Nachfrage nach Beratungen stellt das anyway in der Corona-Krise erneut unter Druck. Waren es in den ersten beiden Corona-Jahren vor allem finanzielle Nöte, die dank zahlreicher Spender:innen abgefedert werden konnten, sind es nun der gestiegene Bedarf und die Arbeitsverdichtung.
„Um der hohen Nachfrage gerecht zu werden, haben wir die Beratungsangebote im Haus priorisiert. Uns ist es wichtig, zuerst für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in akuten Krisen da zu sein. Erst danach kommen andere Themen und Verpflichtungen”, sagt Jürgen Piger, Geschäftsführer des anyway. „Generell merken wir, dass die Corona-Pandemie die Unterstützungsstrukturen für LSBTIQ*-Personen stark herausfordert und prekärer werden lässt”, so Piger weiter. Es liegt nun an Politik und Verwaltung, Antworten auf diese Situation zu finden.
Titelfoto: Léon M. Gruß